Jahrestag der Atombombenabwürfe
vorgetragen von Thomas Lechner, i.A. des Münchner Oberbürgermeisters
Am 9. August 1945, dem Tag des Atombombenabwurfs auf Nagasaki, beschrieb der amerikanische Kirchenvertreter Samuel McCrea Cavert dem US-Präsidenten Harry S. Truman in deutlichen Worten die Gefahr, die von Kernwaffen ausgeht: Sie wirkten unterschiedslos zerstörerisch. Ihr Einsatz sei ein sehr gefährlicher Präzedenzfall für die Zukunft der Menschheit. Und auch der Physiker Julius Robert Oppenheimer, der als Vater der Atombombe gilt, hatte bereits nach dem ersten Atombombentest mit Entsetzen festgestellt: „Ich bin der Tod geworden, Zerstörer von Welten.“
Truman hingegen sah nach fast sechs Jahren Krieg in der Bombe ein Mittel zum raschen Ende des schlimmsten Krieges in der Geschichte. So kam es zu den beiden ersten und bislang einzigen Einsätzen von Atomwaffen in einem Krieg. Hunderttausende Menschen starben sofort oder an den Folgeschäden der atomaren Verstrahlung.
Sowohl die unmittelbare Wirkung der Bombe als auch die schleichende und über Jahrzehnte anhaltenede Vernichtung von Menschenleben durch radioaktive Strahlen haben ein Ausmass erreicht, dass man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen kann.
Tragischerweise ist vor zwei Tagen in Beirut eine Katastrophe passiert, die uns ein wenig daran erinnert, wie umfassend, wie entsetzlich, wie brutal und wie großflächig Monsterdetonationen wirken: Tausende Menschen wurden verletzt, Hunderttausende verloren ihre Wohnungen, oft auch ihr Hab und Gut, in einem Umkreis von 5 km. Die Zerstörungskraft von Atomwaffen liegt nochmal ein Vielfaches über dem, was wir im Libanon gerade erlebt haben. Unser Mitgefühl gilt ALLEN Opfern, damals wie heute – jede und jeder einzelne Tote mahnt uns, dass wir uns mit aller Kraft gegen Krieg und Zerstörung einsetzen müssen. Insbesondere atomare Waffen sind UMGEHEND zu vernichten, ihr Einsatz ist kategorisch abzulehnen und auszuschliessen.
Seit einem Dreivierteljahrhundert lebt die Menschheit nun schon mit Kernwaffen. Angesichts von weltweit immer noch knapp 14.000 Atomwaffen, zunehmender Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag sowie der Gefahr des Schmuggels radioaktiver Spaltmaterialien und atomarer Terroranschläge sollen und müssen auch die Kommunen gemeinsam mit den lokalen Friedensbewegungen ein klares Abrüstungssignal senden. Ich halte daher ein entschiedenes Auftreten der Städte und Gemeinden in ihrem Bestreben für ein friedliches Zusammenleben ohne die Bedrohung (nicht nur) nuklearer Waffen für dringend angezeigt und erforderlich.
Wir haben in Bayern aktuell 64 Städte und Gemeinden, die Mitglied von Mayors for Peace sind. Mayors for Peace werfen die Frage auf, wie man Konflikte miteinander austrägt, eben ohne sich zu bombardieren, sondern in einem guten Miteinander in Frieden, wie wir miteinander umgehen wollen.
Und wenn man darüber nachdenkt, warum denn gerade die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sich gegen Atomwaffen aussprechen, obwohl die Kommunen relativ selten Kriege führen, dann liegt es einfach auch daran, dass wir am nächsten an den Bürgerinnen und Bürgern dran sind. Die Kommunen sind dafür zuständig, dass die Menschen ein gutes Umfeld haben, ein gutes Auskommen, dass sie gesund sind, dass sie in Frieden leben können. Und das genau steckt auch in der Bewegung Mayors for Peace. Sie fordert: Geld für Klimaschutz und Armutsbekämpfung, statt für Atombomber, Kriegsschiffe und Killerdrohnen.
Wir alle haben hier eine Verantwortung, Politikerinnen und Politiker genauso wie jede und jeder einzelne von Ihnen. Schon 2010 gab es einen Bundestagsbeschluss, Atomwaffen in Deutschland abzuschaffen, und dennoch wurde er nicht umgesetzt. Hier braucht es auch ein Wiedererstarken der Friedensbewegung, der vom Frieden Bewegten, derjenigen die sich für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen auf dem Globus einsetzen. Gerade in Zeiten von Corona ist es umso wichtiger, dass wir die Prinzipien von Solidarität und Gemeinsinn wieder stärken, dass wir helfen und unterstützen, statt zu attackieren oder gar zu zerstören.
Leider haben bisher noch nicht alle Staaten und insbesondere keine Atommacht, ja noch nicht einmal Japan, den UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen unterzeichnet, geschweige denn ratifiziert. Er ist noch nicht in Kraft getreten. Das ist die Entscheidung von Regierungen und nicht die von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Aber gerade Bürgermeister*innen wissen um die Verletzlichkeit ihrer Städte und der Menschen darin. Deshalb schließe ich mich ausdrücklich den Worten des damaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon anlässlich des 70. Jahrestages der Atombombenabwürfe an: „No more Hiroshimas! No more Nagasakis!“